DIE LUFTKOLLEKTORFASSADE
Der Wohnzwilling erhält in den Obergeschossen keine herkömmliche Fassadendämmung, sondern einen Wandaufbau mit einer Massivwand aus Kalksandstein und einer vorgehängten, transluzenten Fassade aus thermoplastischen Kunststofffassadenplatten (Polycarbonat), welche eine effiziente Nutzung der Sonnenenergie ermöglicht. Zwischen dem Mauerwerk und dem mit einer Aluminiumunterkonstruktion befestigten Polycarbonat befindet sich eine Luftschicht, die als Temperaturpuffer zwischen innen und außen fungiert. Diese äußere transluzente Hülle besteht aus Mehrschichtplatten (Lichtbauplatten von der Firma Rodeca) von 50 mm Stärke und einem U-Wert von 0,90 W/m2K, die durch die Lufteinschlüsse in den einzelnen Kammern eine gute Dämmwirkung bei gleichzeitiger Transluzenz erreichen. Am Tag wird durch Sonneneinstrahlung Wärmeenergie auf die Massivwand übertragen (gesammelt), die in die Speichermasse einfließt. Auch auf den nicht direkt besonnten Fassaden wird durch Diffusstrahlung Wärmeenergie auf die Massivwand übertragen. Durch die beschriebenen Eigenschaften der Polycarbonatfassade wird die Wärme in der Fassadenkonstruktion gehalten und verteilt, auch wenn z.B. bei Nacht keine Wärme von außen eingestrahlt wird.
Polycarbonat gehört chemisch zu den Polyestern, zeichnet sich durch hohe Transparenz, hohe Wärmebeständigkeit, Kratzfestigkeit und hohe Stabilität aus und ist zudem recyclefähig. Das Material gilt sowohl in der Herstellung als auch in der Entsorgung als ökologisch unbedenklich. Heutzutage wird Polycarbonat unter anderem im Fahrzeugbau (Heckscheiben und Dachmodule) eingesetzt. Die einzelnen Paneele der Fassade sind austauschbar. Das Ergebnis der letzten Simulation von Transsolar Stuttgart mündete in einer sehr differenzierten Aufteilung der Fassade innerhalb der Luftschicht. Neben der Ausbildung von Luftkollektoren mit steuerbaren Strömungsöffnungen (Coltlite Lamellenfenster System CLT) im Dachbereich und Zuluftöffnungen als Zuluftgitter aus der Industrie im Sockelbereich, gibt es in der Fassade Bereiche die in der Vertikale zwischen den Balkonen oder bei übereinander angeordneten Fenstern weniger bzw. gar nicht durchströmt werden. Deshalb erfolgte eine differenzierte Ausbildung des Wandaufbaus mit mineralischen Dämmungen von 2 cm an der Ost-/Süd- bzw. Westfassade und 6 cm auf der Nordfassade. Dies hat zur Folge, dass die Speichermassen der Kalksandsteinmauer den intensiv sonnenbestrahlten Seiten vor einer Überwärmung im Sommer, sowie auf den weniger sonnenbestrahlten Seiten aufder Nordseite vor Auskühlung des Wandaufbaus geschützt sind.
Die Lüftungsklappen am Dachrand werden bei hohen Temperaturen des Luftzwischenraumes geöffnet, um eine Kühlung mittels Durchzug zu ermöglichen. Bei geschlossenen Lüftungsklappen dient der Zwischenraum als zusätzliche Dämmung. Die Luftschicht im Luftkollektor kann bei Besonnung einen Temperaturunterschied zur Außentemperatur von 30° - 60° C erzielen. Mittels temperaturabhängiger Steuerung der Lüftungsklappen wird bei Überwärmung gelüftet. In den Übergangszeiten und im Winter bei Diffusstrahlung dient die erwärmte Luft zur zusätzlichen (dynamischen) Dämmung. Der Temperaturunterschied im Luftkollektor beträgt ca. + 10 ° C zur Außentemperatur. Die Wärmeversorgung der Häuser erfolgt über Fernwärme mit zentraler Hauptübergabestation. Jede Wohneinheit erhält eine separate Wohnungsstation (Frischwasserstation), die das Warmwasser bereitet und die Fußbodenheizung speist. Der Wohnzwilling wurde lediglich mit minimaler Lüftungstechnik ausgestattet, um möglichst auf kostenintensive wiederkehrende Wartungsarbeiten verzichten zu können. Folgende Energiekennwerte wurden ermittelt: Auf der Grundlage der Standardrandbedingungen nach DIN 18041 errechnete grundflächenbezogene Jahres-Primärenergiebedarf beträgt 41,1 kWh/m²a. Der Heizwärmebedarf entsprechend der EnEV-Berechnung liegt bei 30,5 kWh/m²a.
Zusammenfassung und Ausblick
- Wohnzwilling - Baufeld H ist mit einer dynamischen Wärmedämmung ausgestattet
- Die Dämmung ist hinsichtlich der Stärke variabel in den verschiedenen Orientierungen angebracht
- Die Anforderungen des baulichen Mindestwärmeschutzes sind wie auch die Anforderungen der Energieeinsparverordnung EnEV eingehalten
- Die dynamische Dämmung kann im EnEV-Nachweis mit ihrer Funktionalität berücksichtigt werden
- Ein Abgleich zu dem Wärmeverbauch des Gebäudes muss im weiteren Verlauf des Monitorings erfolgen
- Erste Ergebnisse geben Aufschluss auf einen positiven Einfluss der dynamischen Wärmedämmung auf den Wärmeverbauch